Der Renegat
Protiv

Das Russische
 Malereikatalog

Essays

Boris Altschüler - Malereikatalog


Zur Galerie Boris Altschüler
Malereikatalog
Verlag Aschkenas
Saarbrücken 2003
48 Seiten, 72 farbige
+ 1 schwarz-weiße
Illustrationen.
Mit einem Vorwort
von Gerhard Struve
Preis 25,– Euro
ISBN 3-9807274-2-4
Zur Galerie

Brief vergrößern

Menschen und Landschaften


Boris Altschüler, geboren am 15.12.1943 in der ehemaligen UdSSR, verbrachte seine Kindheit und Jugend im lettischen Riga. Dessen sanfte Umgebung und die Architektur seiner Heimatstadt prägten sein Bewusstsein und Empfinden.

Das Baltikum mit dem Gold der Ostseestrände, der Gotik der Städte, der eindrucksvollen Dichte seiner Wälder, die sich in den vielen Seen und Flüssen wiederspiegeln, hinterließ einen unvergänglichen Eindruck in der Seele des Malers.

Die Ostseeregion war stets auch ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen und Völker: Balten, Letten, Slawen - vor allem Russen -, Deutsche, die so nachhaltig die lettische Geschichte prägten, und Juden. Das gesellschaftliche Klima war selbst in den schlimmsten Zeiten der kommunistischen Diktatur anders als im übrigen Ostblock, darum galt das Baltikum in der ehemaligen UdSSR als Vorstufe zum westlichen Ausland.

Die Schönheit der Hauptstadt Riga, deren berühmter Kurort Jurmala mit seiner malerischen Küste, wie auch die eigenartige Naturlandschaft der lettischen Provinz, erzeugen schon aus sich selbst heraus eine besondere, leicht melancholische Stimmung, einen eigenwilligen Rhythmus, eine etwas nachdenkliche Mentalität und Lebensart.

1967 beendete Boris Altschüler das Studium der Medizin in Riga und begann in der ostlettischen Provinz seine Arbeit als Chirurg. Dreieinhalb Jahre dieser Arbeit inmitten fast unberührter Natur prägten nachhaltig sein künstlerisches Bewusstsein. Ende 1970 kam Altschüler zurück nach Riga und arbeitete als Chirurg und Unfallchirurg in einem Krankenhaus. Er verteidigte seine Dissertation und wurde Doktor der Medizin. Nebenbei war er als Publizist und Schriftsteller tätig, verfasste Biographien zweier prominenter Rigaer Ärzte, schrieb Artikel für Zeitungen. Er verkehrt in der Bohème der Stadt, freundet sich mit Semjon Schegelman an, einem herausragenden Maler der lettischen Avantgarde in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Zur gleichen Zeit begehrt er gegen das System auf und muss 1975 die UdSSR verlassen.

Die Emigration bildet eine Zäsur in seinem Bewusstsein, einen psychologischen und kulturellen Schock, den man noch lange, eigentlich durchgängig in seinen Werken verfolgen kann. Er arbeitet als Chirurg und Orthopäde, malt viel in seiner Freizeit. Der kulturelle Schock löst eine ungeheure, kreative Dynamik aus, die Boris Altschüler zwingt, zu den Farben zu greifen. Seine ersten Arbeiten, obwohl noch etwas ungelenk, sind unter anderem vom Schaffen seines Freundes Schegelman inspiriert, wirken jedoch sehr eigentümlich. Viele seiner Erstlingswerke umgibt ein Hauch vom Primitivismus des Naiven, des Ursprünglichen, dass mit dem Expressionismus seines Freundes und Vorbildes angereichert ist. Die prächtige Farbenpalette, seine koloristische Empfindsamkeit sind ab jetzt ein herausragendes Merkmal seines Wirkens. In der Emigration entstehen auch seine ersten literarischen Werke, vor allem Kurzgeschichten, die einen großen Anklang unter russischsprachigen Auswanderern finden. Die Malerei ist für Altschüler eine Art Katharsis und hilft bei den Widrigkeiten seines neuen Lebens. Mit der Zeit wird sie zu einer inneren Notwendigkeit. Arbeiten mit Öl, Acrylfarben oder Aquarelle, die in dieser Zeit entstehen, überzeugen durch ihre eindeutige innere Stärke. Einige Ausstellungen in Israel, z. B. in Kefar-Sava sind kleine Erfolge eines begabten Autodidakten. Sie zeigen die Landschaften Judäas, der Küste und der Sinai-Halbinsel, aber auch ein eindrucksvolles Selbstporträt. Zahlreiche Skizzen und Pastellmalereien stammen aus dieser Zeit.

Seit 1979 lebt und arbeitet Boris Altschüler in Deutschland. In der zweiten Emigration schafft er einen neuen beruflichen Anfang. Und er malt sehr viel, was seiner Eigentherapie und der Suche nach seelischem Gleichgewicht entspricht. In Mitteleuropa ändert sich sein Stil, obwohl die Suche nach philosophischen Inhalten und mythischen Landschaften erhalten bleibt. In seiner Frankfurter Zeit spürt man neben dem Expressionismus einen starken Einfluss der neuen Sachlichkeit. Gut ausgearbeitete Details aus seiner Umgebung finden Platz in den vielen Arbeiten. Herausragendes Hauptwerk ist das eindrucksvolle Triptychon »Exodus« (1979 - 1983), dessen Abbildungen durch Publikationen und Illustrationen der Öffentlichkeit bekannt wurden.

Seit 1985 lebt Altschüler in Saarbrücken. Seine Arbeiten der letzten 15 Jahre reflektieren diese Periode. Er ist jetzt unter anderem stark von den Anfangsarbeiten der berühmten russisch-deutschen Malergruppe »Der blaue Reiter« vor fast hundert Jahren inspiriert, und manche seiner Werke, besonders aus dem Zyklus »Landschaften an der Saar«, scheinen mitunter an den jungen Kandinski zu erinnern, ohne diesen jedoch zu kopieren. Die Verbindungen zu vielen anderen Kunststilen bleiben mehr oder weniger zufällig. Trotz der Tragik der Sujets seiner Bilder sind sie hell und optimistisch. Die Arbeiten zeugen von philosophischer Reife und technischer Perfektion. Sie suggerieren einen lyrischen Zauber, einen Traum von großer Magie, dem man sich schwer entziehen kann. Wie der große Chagall verzaubert er das Alltägliche. Anders aber als der große jüdisch-russische Maler benötigt er dazu keine oder nur wenig Verfremdung. Sein expressiver Blick und die vertikale Perspektive lösen das Zauberhafte und Wunderschöne aus der alltäglichen Umgebung, ohne es zu betonen oder zu deformieren.

In einer Zeit vieler neuer Medien, von Rauminstallationen, Aktionskunst, des Verzichts auf Gegenstände, der minimalen und konzeptualistischen Malerei, wie auch von vielem anderen, bilden seine Arbeiten, so die lieblichen Saarländischen Landschaften, nicht nur den Hintergrund für verschiedene Werke, sondern das dominierende Element seines kreativen Schaffens. Trotz Veränderungen im Stil bleiben Kolorit und Ausdrucksstärke in den Landschaften an der Saar und Lothringens sowie in den Porträts seine herausragende Eigenschaft. Altschüler schafft sich seine eigene Welt, voller Bewunderung vor Gottes Schöpfung. Gleichzeitig bleibt er auch als Autor verschiedener Romane und Sachbücher im Gespräch. Das Kreative geht nicht einen besonderen Weg, sondern ergänzt sich in verschiedenen Schaffensbereichen.

25 Jahre erfolgreicher künstlerischer Tätigkeit sind ein guter Anlass diesen Katalog herauszugeben und die hier gezeigten Arbeiten zu genießen.

Zusammen mit Heinz-Jürgen Jeaunroud ist Boris Altschüler Gründungsmitglied der Saarbrücker Künstlergruppe "Bunter Hund"(2003).

Gerhard Struve

© Boris Altschüler 1999-2005 | Impressum | Skythischer Verlag | Verlag Aschkenas | Verlagsanschrift | Galerie | Startseite | zurück