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 Essays

Essays von Boris Altschüler

Die Mainzer Straße

Es gibt in Saarbrücken eine Strasse, die allgegenwärtig ist. Sie ist eine Verkehrsader, neuerdings durch die Saarbahnlinie in der Mitte durchschnitten, voller Häuserfassaden aus der Gründerzeit, von denen nicht wenige mit Freimaureremblemen versehen sind. Diese Straße hat ein unvergängliches Flair, über sie wurden Film-Dokumentationen gedreht, man stritt über ihre Weiterentwicklung, aber bis heute weiß man eigentlich nicht, was mit ihr, zwischen Saar und Eisenbahnlinie gelegen, auf dem Wege vom St. Johanner-Markt nach Schafbrücke geschehen soll.
Es ist ein heißer Sommerabend 1999. Ich bin ins Stadtzentrum umgezogen, auf die Mainzer Strasse, die anscheinend nie schläft. Auch in der Nacht schreien Jugendliche, poltern Besoffene, schrillen Feuerwehrsirenen, krachen Autos zusammen, bellen stundenlang angeleinte Hunde. Ein paar Proleten spielen an der Saarberg-Gästehaus-Villa mit den Kindern Fußball. Die Anlage ist ein Erholungs- und Konferenzzentrum in bester Zentrallage mit einem großzügig gepflegten Park, wo unter großen Sicherheitsauflagen und viel Geheimniskrämerei ab und zu stilvolle Gartenpartys für die Prominenz gefeiert werden. Die Proleten von der Strasse kümmert das nicht. Sie spielen Fußball mit Cola-Dosen vor der hilfslosen Villa, manch einer pinkelt mit Gefühl auf den schweren Griff der großen Eingangstür. Eine Polizeistreife fährt vorbei und sieht es nicht. Jetzt hat man dort endlich einen soliden Zaun errichtet. Auf der anderen Straßenseite steuert ein adretter Sinti-Junge sein Spielzeugauto mit Fernlenkung. Seine gut angezogenen Eltern beobachten ihn mit einem zufriedenen Lächeln aus dem blank polierten Mercedes älterer Bauart.

Der Essay "Die Mainzer Straße"
erschien im Sammelband
Gut im Bild
Herausgeber: Horst Lühmann
Resonanz-Verlag
Saarbrücken 2004
ISBN 3-00-014605-9

Die Mainzer Straße, ca. 35 kb

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Ein Urlaub in Amerika

Continental Airlines hieß die Fluggesellschaft, mit der wir nach New York flogen. Die amerikanischen Airlines sind die besten, mit denen ich bis jetzt in der Economy-Class geflogen bin. Es gib relativ viel Platz zwischen den Sitzen und Reihen, man streckt genüsslich die Beine aus, es gibt, wie auch auf den anderen langen Routen, langweilige Unterhaltung und es herrscht Ordnung im Flugzeug. Wir flogen über England, über die Routen der Wikinger, vorbei an Grönland und Südost-Kanada. Als das Flugzeug über den Flughafen Newark in New Jersey seine Kreise drehte, erschien in den Bullaugen das völlig irreale Panorama New Yorks mit den vielen Wolkenkratzern am Hudson-River. Der Flughafen Newark ist einer der bequemsten von New York, obwohl er sich in einem anderen Bundesstaat befindet.
Nachdem wir die Passkontrolle durchschritten und unser Gepäck für den weiteren Flug nach Las Vegas aufgegeben hatten, gingen wir zu vielen Restaurants und Cafés, um etwas zu essen. Die schönen Koffer schmissen die Flughafenjungs ziemlich brutal mit dem Gepäck der anderen Passagiere zusammen und wir gingen erleichtert ins McDonald`s. Vorbei an uns liefen Leute mit fantastischen Hautfarbtönen und Gesichtszügen. Neben einem der vielen Kioske, die Nüsse verkaufen, stand ein älterer Herr, der aussah wie ein Vertreter der alten jüdischen Intelligenzija im vorgeschrittenen Alter irgendwo in Moskau, St. Petersburg, Tel Aviv oder auch in New York. Er redete auf einen frechen und ziemlich blöden jungen Puertoricaner ein, der sich seinerseits schreiend mit seinen Verkäuferinnen auf Spanisch unterhielt. Der jüdische Opa aus New Jersey war sehr gütig, korrekt und bekniete förmlich diesen wilden Hispano-Sioux Englisch und nicht Spanisch zu sprechen; der freche Gaucho plapperte unbekümmert weiter Spanisch mit seinen ununterbrochen Kaugummi kauenden, dicken Senoritas. Wir verließen die Stätte des Kulturkampfes, um uns nach dem achtstündigen Flug ein wenig zu bewegen, - vor uns lag noch ein vierstündiger Flug in die Wüste Nevada. Wir hatten diese Route noch in Deutschland gebucht, um nicht so lange im Flugzeug zu sitzen, dafür mussten wir jetzt bei brütender Hitze in Newark sitzen.

Ein Urlaub in Amerika, ca. 73 kb

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