Die Mainzer Straße
Es gibt in Saarbrücken eine Strasse, die
allgegenwärtig ist. Sie ist eine Verkehrsader, neuerdings durch die
Saarbahnlinie in der Mitte durchschnitten, voller Häuserfassaden aus
der Gründerzeit, von denen nicht wenige mit Freimaureremblemen versehen
sind. Diese Straße hat ein unvergängliches Flair, über sie wurden
Film-Dokumentationen gedreht, man stritt über ihre Weiterentwicklung,
aber bis heute weiß man eigentlich nicht, was mit ihr, zwischen Saar
und Eisenbahnlinie gelegen, auf dem Wege vom St. Johanner-Markt nach
Schafbrücke geschehen soll.
Es ist ein heißer Sommerabend 1999. Ich bin ins Stadtzentrum umgezogen,
auf die Mainzer Strasse, die anscheinend nie schläft. Auch in der Nacht
schreien Jugendliche, poltern Besoffene, schrillen Feuerwehrsirenen,
krachen Autos zusammen, bellen stundenlang angeleinte Hunde. Ein paar
Proleten spielen an der Saarberg-Gästehaus-Villa mit den Kindern
Fußball. Die Anlage ist ein Erholungs- und Konferenzzentrum in bester
Zentrallage mit einem großzügig gepflegten Park, wo unter großen
Sicherheitsauflagen und viel Geheimniskrämerei ab und zu stilvolle
Gartenpartys für die Prominenz gefeiert werden. Die Proleten von der
Strasse kümmert das nicht. Sie spielen Fußball mit Cola-Dosen vor der
hilfslosen Villa, manch einer pinkelt mit Gefühl auf den schweren Griff
der großen Eingangstür. Eine Polizeistreife fährt vorbei und sieht es
nicht. Jetzt hat man dort endlich einen soliden Zaun errichtet. Auf der
anderen Straßenseite steuert ein adretter Sinti-Junge sein
Spielzeugauto mit Fernlenkung. Seine gut angezogenen Eltern beobachten
ihn mit einem zufriedenen Lächeln aus dem blank polierten Mercedes
älterer Bauart.
Der Essay "Die Mainzer Straße" erschien im Sammelband
Gut im Bild
Herausgeber: Horst Lühmann
Resonanz-Verlag
Saarbrücken 2004
ISBN 3-00-014605-9
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| Ein Urlaub in Amerika
Continental Airlines hieß die Fluggesellschaft, mit der wir nach New
York flogen. Die amerikanischen Airlines sind die besten, mit denen ich
bis jetzt in der Economy-Class geflogen bin. Es gib relativ viel Platz
zwischen den Sitzen und Reihen, man streckt genüsslich die Beine aus,
es gibt, wie auch auf den anderen langen Routen, langweilige
Unterhaltung und es herrscht Ordnung im Flugzeug. Wir flogen über
England, über die Routen der Wikinger, vorbei an Grönland und
Südost-Kanada. Als das Flugzeug über den Flughafen Newark in New Jersey
seine Kreise drehte, erschien in den Bullaugen das völlig irreale
Panorama New Yorks mit den vielen Wolkenkratzern am Hudson-River. Der
Flughafen Newark ist einer der bequemsten von New York, obwohl er sich
in einem anderen Bundesstaat befindet.
Nachdem wir die Passkontrolle durchschritten und unser Gepäck für den
weiteren Flug nach Las Vegas aufgegeben hatten, gingen wir zu vielen
Restaurants und Cafés, um etwas zu essen. Die schönen Koffer schmissen
die Flughafenjungs ziemlich brutal mit dem Gepäck der anderen
Passagiere zusammen und wir gingen erleichtert ins McDonald`s. Vorbei
an uns liefen Leute mit fantastischen Hautfarbtönen und Gesichtszügen.
Neben einem der vielen Kioske, die Nüsse verkaufen, stand ein älterer
Herr, der aussah wie ein Vertreter der alten jüdischen Intelligenzija
im vorgeschrittenen Alter irgendwo in Moskau, St. Petersburg, Tel Aviv
oder auch in New York. Er redete auf einen frechen und ziemlich blöden
jungen Puertoricaner ein, der sich seinerseits schreiend mit seinen
Verkäuferinnen auf Spanisch unterhielt. Der jüdische Opa aus New Jersey
war sehr gütig, korrekt und bekniete förmlich diesen wilden
Hispano-Sioux Englisch und nicht Spanisch zu sprechen; der freche
Gaucho plapperte unbekümmert weiter Spanisch mit seinen ununterbrochen
Kaugummi kauenden, dicken Senoritas. Wir verließen die Stätte des
Kulturkampfes, um uns nach dem achtstündigen Flug ein wenig zu bewegen,
- vor uns lag noch ein vierstündiger Flug in die Wüste Nevada. Wir
hatten diese Route noch in Deutschland gebucht, um nicht so lange im
Flugzeug zu sitzen, dafür mussten wir jetzt bei brütender Hitze in
Newark sitzen.
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